Leseprobe:

 

'Die Rotte und der Richter' 

 



 

 

 

... aus Kapitel 11
In Gedanken versunken sitze ich auf einem dieser harten Holzstühle. Die Teetasse vor mir noch warm. Zaghaft schieben sich ein paar verhaltene Sonnenstrahlen durch das Esszimmerfenster. Bemüht, unsere Skandinavien-Rundreise zu planen, liegen die Pläne offen vor mir auf diesem grossen Tafeltisch aus altem Eichenholz. In knapp zwei Monaten soll es losgehen, sobald in der Schule der Sommerurlaub beginnt. Diese Auszeit ist genau das, was wir im Moment nötig zu haben glauben.
Die
Türklingel
reisst mich aus den Gedanken. Es ist der Postbote, der mir diese Planungspause verschafft.
Die Gedanken wieder ins Diesseits manövrierend öffne ich die Tür. Der Postbote überreicht mir eine Gerichtsurkunde.
Seit der Einvernahme sind knapp zwei Monate vergangen. Bis heute war ich guten Glaubens, Herr Thoren würde, aufgrund der Nichtigkeit und der widersprüchlichen Aussagen dieser Teenager, das Verfahren einstellen. Doch weit gefehlt! Trotz meiner Falscheinschätzung bin ich erleichtert, dass es endlich vorwärts geht in dieser Sache. Den Empfang der Gerichtsurkunde bestätige ich dem Postboten, bevor er unmittelbar danach seines Weges geht.

Wieder begebe ich mich, mit der Gerichtsurkunde in der Hand, in das Esszimmer, lehne mich an den grossen Holztisch, öffne den Brief und beginne zu lesen. Ich lese und je weiter ich lese desto dunklere Wolken ziehen sich über meinem sonnigen Gemüt zusammen. Das kann nicht wahr sein! Ich muss mich setzen und erst einmal tief durchatmen. Habe ich diesen Staatsanwalt und die Stimmungslage damals bei der Vergleichsverhandlung und der Einvernahme so dermassen falsch eingeschätzt?
Wie ein Gewitter, das urplötzlich aufzieht, steht Herr Thoren in Gedanken mit aufgeblähtem Brustkorb vor mir. Die Augen weit geöffnet, das Gesicht hochrot. Ich sehe seine beiden Halsschlagadern hervorquellen. Sein Mund artikuliert nicht nur, er spuckt. Unmissverständlich scheint er mir zu sagen:
Ich will gar nicht wissen, ob du schuldig oder unschuldig bist. Mich langweilt dieser Fall und ich möchte ihn so schnell wie möglich vom Tisch haben. Kein Fall, der einem Ansehen verleihen würde oder Karrierechancen offenbaren lässt. Ich bin nur an der Provision interessiert!